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Kapitel 17

Die Meisterschaft


Am Tag der Meisterschaft sitzen Flosse, Stinger und Léon mit dem kompletten Tauchballteam im Bus. Der Mannschaftsbus der Berliner fährt auf das Münchner
Olympiagelände. Ein Stau hat sich vor den Parkplätzen des Stadions gebildet. Parkwächter leiten die Autos zu den Parkbuchten.
„Sind doch nicht alle wegen uns gekommen oder ist ohne mein Wissen eine Kampagne für Tauchball gestartet worden?“, fragt Knorki, der aus dem Fenster schaut und seinen Kopf so hin- und herbewegt, als wenn es etwas wirklich Wichtiges zu sehen gäbe
„Das sind alles Leute, die von deiner Büffelhüfte gehört haben“, scherzt Boris und ein raunendes Lachen geht durch den Bus.
„Nach den Wimpeln zu urteilen, handelt es sich um Fans von Bayern München. Heute findet ein Bundesligaspiel statt“, stellt Deckel gelangweilt fest.
„Na toll und wir müssen in der hintersten Ecke parken, weil wir kein Ticket haben“, schmollt Krake mit frustriertem Unterton.
„Sieh das mal anders. Wenn die Bayern schlecht spielen, dann sind sechzigtausend Menschen auf die sauer. Bei einem Zuschauer feindlichen Sport wie unserem kann das nicht passieren“, versucht Stinger die Mannschaft aufzuheitern.
Als Trainer ist es schon zu seiner Manie geworden, jeden Ansatz von Frust zu unterbinden, weil er davon überzeugt ist, dass die Leistung darunter leidet.
„Es wäre super, wenn bei uns auch ein paar Zuschauer mitfiebern würden. Hundert würden schon reichen, um für eine gute Stimmung im Bad zu sorgen. So eine Atmosphäre wie bei einem Fußballspiel ist doch wie ein Rausch, der einen beflügelt“, sagt Basti mit Wehmut in der Stimme, während Flosse den Bus rückwärts einparkt. Alle wissen was er meint, aber niemand will es hören.
„Was brauchen wir Zuschauer, solange wir Spaß haben und den haben wir bisher immer gehabt, auch ohne Gaffer“, sagt Krake, während er die Wagentür aufschiebt und rausspringt.
Am Eingang angekommen, sehen sie ein DIN A 3 Plakat, worauf ein Tauchballspieler zu sehen ist, der mit dem Ball auf den Torwart zutaucht.

Heute Video - Liveübertragung der Deutschen Meisterschaft im Unterwasser Rugby, steht darauf.

Auf dem Weg zu den Umkleidekabinen kommt Flosse auf Léon zu.
„Was gibt es Neues“, will Leon wissen.
„Es gibt eine gute und eine schlecht Nachricht“, sagt Flosse. „Hier die Gute! Ich habe es gerade vom Präsidium erfahren. Gerda Franke hat ein Nummernkonto im Süden der Bahamas. Wir haben ihre Wohnung durchsucht und einige Flugtickets für die Turks and Caicos Inseln gefunden. Da sind wir hellhörig geworden und sie hat gebeichtet. $40.000,- hat sie euren Verfolgern gezahlt. Jetzt haben wir einen Zeugen und Beweise genug, um sie für immer hinter Schloss und Riegel zu bringen.“
„Und die schlechte Nachricht?“, fragt Léon neugierig.
„Wir habe keine Spur von ihnen, weder von dem Franzosen noch von dem Belgier.“
„Dachte ich mir“, bemerkt Léon frustriert.
„Noch etwas, die alte Lady stammelt immer wieder, dass sie weitermachen werden, auch ohne Bezahlung“, sagt Flosse.
„Das haben wir schon mitbekommen. Die Suchen das Erdloch wie wir.“
„Was hältst du von Personenschutz?“
„Wofür? Unmöglich, dass mir hier jemand zu nahe kommt. 150 Tauchballspieler sind hier, sie hatte schon mit uns alleine genug Probleme. “
„Was von Mira gehört?“
„Sie hat einiges über die Sanders erfahren“, antwortet Léon und berichtet ihm, was er von Mira gehört hat:
„Die Frau des Professors ist mit ihrer Tochter nach Amerika geflüchtet. Er behielt den anderen Teil seiner Aufzeichnungen und wollte selbst mit seinem Sohn nachkommen. Er hat es leider nicht mehr geschafft, Deutschland zu verlassen. Seine Frau ist zehn Jahre nach dem Krieg in New York gestorben. Die Tochter hat in Miami geheiratet und ist dort geblieben. Robert und sie erbten zu gleichen Anteilen die Godewind, die Villa am Griebnitzsee und seine Forschungsunterlagen. Robert Sander blieb in Berlin, und als er eine Kopie der Rekonstruktionszeichnung von seiner Schwester erhielt, ließ er sich die Bird of Prey von Fritz Franke bauen, um mit ihr unauffällig nach dem Haus Wiek zu suchen.“
„Was für eine Zeichnung?“, will Flosse wissen.
„Der Professor hat einen Lageplan von Vineta angefertigt. Wenn man weiß wo Vineta liegt, kann man mit ihr und mit den Koppelangaben das Haus Wiek und damit das Erdloch finden“, erzählt Léon und in dem Moment verstummt seine Stimme, als ihr Mitspieler Boris sie plötzlich begleitet. Gemeinsam gehen sie durch die Glastür des Duschraumes und betreten die riesige Schwimmhalle mit der großen Zuschauertribüne. Léon schaut sich die gewaltige Spannvorrichtung für die aufwendige Dachkonstruktion an. Es hat den Anschein, dass das Glasdach wie ein Stretchtuch über Fixpunkte im Raum gespannt wurde.
„Das sehen wir nicht alle Tage“, bemerkt Boris.
„Der Architekt hat sich offensichtlich Mühe gegeben, etwas Besonderes zu schaffen“, meint Flosse im Gehen.
Über dem Sprungbecken hängt ein Drahtseil, welches quer durch den Raum gespannt wurde und mit allen Flaggen der teilnehmenden Vereine geschmückt ist. Im fünfzig Meter Becken herrscht normaler, öffentlicher Betrieb und niemand von den Badegästen scheint sich für die Deutsche Meisterschaft zu interessieren. Im Gegenteil, die Sportler werden mit kritischem Blick von ihnen beäugt, da sie durch ihr martialisches Auftreten bedrohlich auf sie wirken. Erst als das Hallenmikrofon pfeift und der Organisationsleiter die Mannschaftsführer herbeiruft, kommen ein paar Badegäste näher, um ihre Neugier zu befriedigen.
Währenddessen werden im Verborgenen die letzten Vorbereitungen für die Internet Liveübertragung vorgenommen. Ein Techniker signalisiert einem Kameramann, der im Wasser schwimmt, dass sie jetzt online sind. Dieser taucht zum Videocheck mit der Kamera auf den Grund des Beckens.
Oben in der Halle stellen sich alle Teams hintereinander auf und machen sich für den Mannschaftseinlauf bereit. Der VDST Präsident nimmt das Mikrofon in die Hand und kündigt den Bürgermeister für die Eröffnungsrede an. Nachdem sich alle Mannschaften um das Sprungbecken versammelt haben, wird die Austragung der Deutschen Meisterschaft offiziell mit einer Rede vom Bürgermeister eröffnet. Dennoch bleibt diese Sportart für die meisten Betrachter ein Mysterium. Am Beckenrand stehend, können sie nur den Auswechselvorgang der Spieler beobachten, alles andere bleibt in der Tiefe verborgen. Nur eine kleine Videoleinwand abseits vom Geschehen, versteckt in der dunkelsten Ecke der Halle, bringt Licht in den Kampf zweier Mannschaften, die alles geben, um den Gegner zu bezwingen. Und nicht selten passiert es, dass ein Junge sich bei seinem Vater nach dem Treiben unter Wasser erkündigt. Erst wenn ihm das packende Spiel erklärt wird, beginnen die Augen des Kindes zu funkeln. Im abgeteilten Becken schwimmt sich eine Mannschaft warm, während eine andere mit einfarbigen blauen Badehosen, blau nummerierten Kappen, Masken, Schnorcheln und Taucherflossen bekleidet, sich im Kreis aufstellt und die Köpfe zum lautstarken Schlachtruf ineinander stecken. Das Gebrüll vibriert durch die Halle und ist auch in der letzten Ecke zu hören. Dem Gegner Angst in die Knochen zu treiben ist ihr Ziel. Jeder Spieler brüllt dabei so laut, als wenn man das Spiel auf dem Trockenen gewinnen könnte. Mit dem Verstummen des letzten Schlachtrufes beginnt sich die Berliner Mannschaft im Becken nebenan warm zu schwimmen.
„Erste Bahn tauchen, zweite Bahn schwimmen, dritte und vierte Bahn wieder tauchen!“, gibt Stinger den Spielern vor, um sie auf den Punkt hin zu motivieren. Nur langsam kommen die Spieler auf Drehzahl und Stinger hat Mühe, ihnen die Trägheit aus den Gliedern zu treiben. Zehn
Minuten vor Spielbeginn hat die Mannschaft das Warmschwimmen absolviert, aber niemand von ihnen verspürt Kampfgeist. Auch Léon spürt seine Muskeln kaum, die nur schlaff an seinen Knochen hängen. Er kann sich einfach nicht konzentrieren. Immer wieder ist er mit den Gedanken bei Mira und den Kriminellen, die womöglich jetzt nach dem letzten Puzzelstein, den Koppelangaben, suchen. Schließlich atmet er tief durch und versucht seine Spiellust für das zweite Gruppenspiel zu wecken.
Das Startsignal ertönt, und der Berliner Verein kämpft gegen eine bewegliche Wand aus Abwehrspielern. Bälle gehen verloren und Pässe kommen nicht beim Mitspieler an. Als Pößneck schließlich mit einem Tor in Führung geht, erleben die Berliner einen Alptraum, aus dem sie endlich geweckt werden wollen. Aber keiner weckt sie. Sie verlieren das Spiel 2:1 und wissen nicht, ob sie aus eigener Kraft weiterkommen können.
Auf der Bank neben dem Planschbecken macht Stinger den Spielern klar, dass sie nun alles gewinnen müssen, um noch in die Endrunde zu kommen. Zum Wachwerden hat dieser verpatzte Start gereicht. Mit einem Faustschlag gegen die Wand macht ein Spieler seiner Wut Luft. Hitzig will er wissen wer die Fehler begannen hat. Sie brüllen sich gegenseitig an und auch Stinger kann die aufgebrachte Mannschaft nicht beruhigen.
„Ich kann es einfach nicht glauben, dass wir schon in der Vorrunde versagen“, schimpft er vor der Mannschaft. Dabei läuft er vor den hängenden Köpfen hin und her, um eine Lösung für das Problem zu finden.
Schließlich dreht er sich zu Léon, der am Beckenrad sitzt und seine Beine frustriert im Wasser baumeln läßt.
„Was ist nur los mit dir?“, redet Stinger vor der Mannschaft auf ihn ein. Er schaut ihm in die Augen. „Wir wollen um den Titel kämpfen und du spielst wie eine Bleiente. Wo ist deine Aggressivität? Wo ist dein Wille zu siegen?“
„Meine Beine sind schwer“, weicht Léon bedrückt aus.
„Pass auf!“, fordert Stinger. „Die Mannschaft will deinen Kampfgeist sehen. Du musst die Mannschaft mitreißen, sonst gehen wir hier baden. Geh’ gleich wieder ins Wasser und zieh’ so lange Bahnen bis du deinen Rhythmus gefunden hast!“
Genug von dieser Predigt steht Léon auf und geht zum tiefen Becken. Er lässt sich mit den Füßen voran in das dunkelblaue Nass gleiten. Das Wasser umhüllt seinen Körper. Erst kalt, dann warm. Erst verdrängt sein Körper das Wasser, dann verdrängt es ihn, welches ihn von alleine trägt. Er stößt sich mit den Beinen kraftvoll von der Wand ab, die Arme weit nach vorn gestreckt schießt er für einen Moment wie ein Torpedo vor, dann setzen seine bleischweren Beine ein. Träge greift seine Hand nach vorne und klatscht auf das Wasser. Sein ganzer Körper dreht sich, als wenn er in zähem Öl baden würde. Immer wieder blitzt vor seinem Geist das Gesicht von Mira auf. Und immer wieder geht die Hand nach vorne, taucht ein und schiebt die Flüssigkeit von vorn nach hinten. Zuerst ohne, dann mit Kraft. Bahn für Bahn. Das Atmen wird schwerer. Auf dem Silikon kauend bringt er noch mehr Kraft auf die Flossen, erhöht die Schlagfrequenz und hört das Fließen des Wassers an seinen Ohren. Nun konzentriert sich Léon auf seine Atmung. Ein und wieder aus, ein, aus… hört er sich immer wieder selber sagen, bis der Rhythmus automatisch übernommen wird. Schließlich gleitet Léon in der Bahn, ohne den Widerstand des Wassers zu spüren. Er hält die Luft an, taucht ab und lässt sich mit geschlossenen Augen bis zur Wand des Beckens treiben.

Am Ende des ersten Turniertages hat es Berlin bis in das Halbfinale geschafft. Auch am nächsten Tag gewinnt Berlin das erste Spiel. Und was gestern für viele Spieler noch unmöglich war, ist nun doch eingetreten. Berlin steht mit Duisburg im Endspiel. Damit trifft der dreimalige Vizemeister auf den sechsfachen Deutschen Meister. Nichts hat sich geändert, und auch ihre Ratlosigkeit gegen diesen Gegner taucht in ihren Köpfen wieder auf. Wieder hat sich die Mannschaft in das Finale gekämpft, um letztendlich doch zu verlieren.
Um das Endspiel zu sehen, sind einige Zuschauer gekommen und allmählich füllen sich die Ränge. Das Werbeplakat an der Eingangstür scheint einen Effekt auf Neugierige gehabt zu haben.
Als Stinger die Mannschaft auffordert, sich für das entscheidende Spiel fertig zu machen, wird es um die Mannschaft still. Im Zeitlupentempo wird die Ausrüstung angelegt. Keiner fühlt sich der Aufgabe gewachsen. Das Spiel scheint schon verloren, als die Duisburger ihren dröhnenden Schlachtruf durch die Halle jagen. Apathisch lassen die Berliner Spieler die Ausrüstungskontrolle über sich ergehen und steigen einer nach dem anderen in das Wasser.

Internet Live Reporter:
„Meine Damen und Herren. Ich freue mich, Ihnen das Endspiel der Deutschen Meisterschaft im Tauchball kommentieren zu dürfen. Es spielt in Blau der amtierende Deutsche Meister TSC Duisburg und in Weiß der Deutsche Vizemeister BTV Berlin. Berlin versucht schon seit über 25 Jahren den Titel zu holen und heute könnte es soweit sein, wenn es da nicht die Duisburger Mannschaft geben würde, die seit über sechs Jahren nicht mehr geschlagen wurde. Dagegen hat Berlin sich jedes Jahr gesteigert. Aber noch nie in der Geschichte des Tauchballs hat es für den Titel gereicht. Wir dürfen gespannt sein, mit welchen Mitteln es die Berliner diesmal probieren wollen. Und das werden wir hier in München in wenigen Minuten erfahren.
Wir kommen zum Spielmodus. Sollte es nach Ende der zweiten Spielhälfte noch unentschieden stehen, wird nach einer kurzen Pause im sudden death Modus weiter gespielt. Plötzlicher Tod, das bedeutet, die Mannschaft, die das erste Tor in der Verlängerung wirft, ist der Sieger. Der Ball liegt auf der Mittellinie des Beckens und wie ich sehe, sind beide Mannschaften bereit.“

- Pause -

Sprecher: „Wir kommen jetzt zur Mannschaftsaufstellung. In Weiß auf der rechten Seite spielt Berlin. Da Matthias Müller (Fisch) verletzt ist, spielt vorne links Manfred Meisner (Mani) und Frank Wilczewski (Stinger), vorne rechts Léon Preuß und Norbert Kronzucker (Krake). Die Verteidigung übernehmen Klaus Finette (Flosse), Thomas Knorck (Knorki), Boris Fechner, Bastian Bosl (Basti). Für das Mittelfeld und Auswechseltorwart stehen Günther Löwe und Stefan Gärtner zur Verfügung. Fester Torwart ist Hans Schmandke (Deckel). Auf der Reservebank sitzen Kathrin Klein, Jens Bürger und Heinz Braunhöfer.

Bei Duisburg spielen in Blau: Harald Stoiber und Ralf Weber vorne links. Der rechte Sturm wird von Norbert Darmstätt und Gerd Wiesbach, einem ehemaligen Krefelder, übernommen. Die Verantwortung in der Verteidigung übernimmt der Ex-Berliner Günter Nebel (Foggi) und der Ex-Krefelder Günter Baumann sowie Thomas Morgenstern und Bernd Schuhmacher. Das Mittelfeld und Tor werden von Marius Volkmann (Sharki) und Toni Wittern verwaltet. Fester Torwart ist wie immer bei Duisburg Bertram Winnig. Auf der Reservebank sitzen Peter Rohrbeck und Michael Hoffmann.

Soeben ist das Schiedsrichterteam, bestehend aus zwei Unterwasserschiedsrichtern, zwei Wechselschiedsrichtern und einem Spielleiter, in Position gegangen. Der Spielleiter hebt die Hand und signalisiert dem Team den Spielbeginn. Alle machen sich für das Anhupen bereit, und da ertönt auch schon das Startsignal. Meine Damen und Herren an den Bildschirmen zu Hause. Das Spiel hat begonnen! Für Berlin spurten Löwe, Stinger und für Duisburg Weber und Darmstätt dem Ball entgegen. Stinger gewinnt das Anschwimmen nur knapp vor seinem Gegenspieler. Er schaufelt den Ball nach hinten zu Löwe. Löwe wird von zwei Duisburgern rüde attackiert und Berlin wird zurück gedrängt. Den Duisburgern scheint das verlorene Anschwimmen nicht geschmeckt zu haben. Löwe muss sich heftig zur Wehr setzen, kann sich aber durchsetzen. Spielabbruch. Freiwurf für Berlin. Die Berliner schwimmen zur Mittellinie. Knorki, ein markanter Spieler, führt den Freiwurf aus und schon geht es weiter. Der Ball ist wieder im Spiel und Basti passt zu Léon und der weiter zu Kronzucker. Das sieht elegant aus. Der Ball läuft schnell in den Berliner Reihen, aber jetzt greifen die Duisburger an. Zwei Spieler, Stoiber und Weber, attackieren den ballführenden Stinger. Stinger kann parieren und zirkelt den Ball an Weber vorbei, verliert dabei aber seine rechte Flosse. Krake, der Berliner, den sie so nennen, weil er die Bälle aus jeder Situation fischen kann, bekommt den Ball. Krake schiebt den Ball zu Flosse. Oh, der Weltmeister kann den Ball nicht sichern und verliert ihn an Duisburg. Jetzt sind die Duisburger am Zug. Der Ball wird von Weber nach vorne getragen, Damstätt und Sharki gehen mit. Weber passt den Ball zu Damstätt und der setzt zum Spurt auf das Berliner Tor an. Das ist gefährlich. Flosse, der offensive Zentralverteidiger von Berlin, wirft sich zwischen Korb und dem Duisburger Stürmer. Jetzt wird er gerammt. Mit dem Kopf vorne weg, rammt Damstätt in die Berliner Verteidigung. Basti der Verteidiger kommt zu Hilfe. Er und Krake nehmen sich den Duisburger vor. Jawohl, er kann den Ball aus der Armbeuge von Damstätt operieren. Basti zu Léon. Aber auch Léon sieht mit dem Ball nicht glücklich aus. Drei Duisburger ziehen und zerren an ihm. Eine Traube von Spielern bildet sich. Der Berliner ist nicht mehr zu sehen. Es ist schwierig den Überblick zu behalten. Da wird sicherlich gleich abgepfiffen werden. Wo ist der Ball? Der Ball ist nicht zu sehen. Jedenfalls scheinen die Berliner den Ball verloren zu geben und halten sich, bis auf Léon, vom dem Gewühl fern. Léon mit der Kappennummer elf hat noch die Hand am Ball, den der Duisburger Schuhmacher mit der Nummer vier eingeklemmt hat. Oh, was war das? Haben sie das gesehen, meine Damen und Herren? Mit einer blitzschnellen Reißbewegung zieht Léon seine Hand aus dem Geklammere und der Ball purzelt Schuhmacher aus der Armbeuge. Geschickt gemacht, Léon greift sich blitzschnell den Ball und bringt mit einer Körperdrehung um 90° den Ball wieder ins Spiel. Er spielt den Ball zu Deckel. Großartig, vier Duisburger wurden ausgespielt und Deckel, der Berliner Torwart, setzt zum Konter an. Jetzt wird er vom Duisburger Schuhmacher am Fußgelenk festgehalten. Léon kommt aus dem Wasser und signalisiert Krake, dass er den Konterzug unterstützen soll. Krake macht einen weiten Kopfsprung und taucht sofort an Deckel vorbei. Der wird immer noch festgehalten. Deckel passt zu Kronzucker und der spurtet mit dem Ball nach vorne. Die Duisburger haben ihre Abwehr schon formiert und warten vor dem eigenen Korb auf den Berliner Angriff. Drei Duisburger checken vor. Jetzt passt Krake den Ball mit der linken Hand zu Knorki. Knorki wird von hinten angegriffen und verliert den Ball. Sharki, der Duisburger, nimmt den Ball, taucht tief über die Fliesen in Richtung Berliner Tor. Wo bleibt die Berliner Verteidigung? Da kommt Flosse. Sharki will an seinen Beinen vorbei. Flosse zieht das Bein an und tritt mit der Hacke nach dem Ball. Oh, das hat wehgetan. Den Duisburger hat es am Kopf erwischt. Das könnte Strafwurf geben. Und da, da wird auch schon abgehupt. Der Schiedsrichter zeigt Strafwurf an. Das ist hart für die Berliner. In der zwölften Minute ein Strafwurf. Kurz vor der Pause, das könnte es schon gewesen sein. Sharki, der zweite Torwart und Mittelstürmer, sieht immer noch wütend aus. Jetzt ist die Frage, wer von den Berlinern auf den Korb hütet und wer den Strafwurf werfen wird. Deckel macht sich bei Berlin bereit und bei den Duisburgern Sharki. Er wird ihn also selbst ausführen. Warum nicht? Er hat ihn provoziert, und jetzt wird er ihn selbst ausführen.
Jetzt wird der Strafwurf auch schon mit dem Hupton angepfiffen. Sharki schwimmt los und Deckel taucht ab. Sharki versucht es von oben. Dreht an Deckel vorbei. Deckel blockt mit den Füßen. Oh, Oh, Oh, es scheint, als wenn er gleich durchkommt. Deckel dreht sich und Sharki holt zum Wurf aus. Nein, Deckel hat den Ball. Was für ein Fuchs, er hat ihm eine Lücke angeboten und nun hat
Deckel den Ball. Es steht immer noch unentschieden. Was für ein Glück für die Berliner. Alles ist noch offen.
Und schon geht es weiter, Duisburg schwimmt an und macht weiter Druck. Weber mit der Fünf passt rüber zu Wiesbach. Der schraubt sich sofort in die Abwehr der Berliner, das könnte gefährlich werden. Nur mit Mühe kann Deckel den Duisburger abhalten, der ihn schon einige Zentimeter hochgehoben hat. Oh, Oh… das, das gibt ein…Tor oder…. Der Ball klemmt zwischen Deckel und dem Korbrand. Man kann gar nicht hinsehen. Und Tor, Tor für Duisburg. Eine Minute vor der Halbzeit wirft Wiesbach von Duisburg das Tor. Es steht 1:0 für Duisburg, meine Damen und Herren. Das kommt einem Dolchstoß gleich! Eine Minute vor der Halbzeit ein Tor für Duisburg. Wie wollen die Berliner nun den Ausgleich schaffen? Das ist jetzt die Frage. Und wir werden die Antwort gleich bekommen! Meine lieben Zuschauer an den Computern zu Hause. Sie stellen sich jetzt sicherlich die gleiche Frage wie ich. Was wird Berlin jetzt tun? Oder was können sie überhaupt gegen diese starke Duisburger Mannschaft tun? Das ist ein Spiel zwischen Kraft und Geschicklichkeit, und wir dürfen auf die zweite Halbzeit sehr gespannt sein.

- Spielpause -

Die Mannschaften ziehen sich in ihre Spielecken zur Pausenbesprechung zurück. Deckel, der noch völlig außer
Atem ist, murmelt vor sich hin. „Mist, Mist, Mist.“
„Hört mal alle her“, brüllt Stinger aggressiv. Er ist stinksauer und faucht die Mannschaft an. „Die Duisburger sind bullenstark, aber wenn wir hier gewinnen wollen, müssen wir jetzt alles auf eine Karte setzen. Wir haben hier nichts mehr, aber auch gar nichts mehr zu verlieren! Wenn wir das noch rumdrehen wollen, dann müssen wir offensiver spielen. Hört mir jetzt gut zu. In der zweiten Halbzeit werde ich das Zeichen geben und dann gehen die Topsix ins Wasser und werden innerhalb von drei Minuten mit unserem eingeübten Spielzug ein Tor machen“, Stinger wird lauter und heftiger, „das haben wir diese Saison für den heutigen Tag ständig geübt! Jetzt will ich das Tor von euch sehen! Habt ihr das verstanden?“, schreit Stinger die Mannschaft an.
„Haben wir“, bekommt er von alle als Antwort zu hören.
„Schnappen wir uns die Duisburger!“, feuert Stinger die Spieler an.

Sportkommentator: „Die Mannschaften und das Team der Schiedsrichter sind wieder soweit. Gleich wird die zweite Halbzeit beginnen. Und da ist der Hupton. Jetzt gewinnt Duisburg das Anschwimmen. Oh, gleich mit drei Spielern versuchen die Duisburger die Berliner Front zu durchbrechen. Duisburg will scheinbar noch ein Tor nachlegen. Was macht Berlin. Die Berliner Spieler ziehen sich in die eigene Hälfte zurück. Jetzt krachen die Duisburger einer nach dem anderen in die Berliner Abwehr. Beeindruckend was man hier geboten bekommt. Duisburg versucht mit der Brechstange das zweite Tor zu legen. Wie lange kann Berlin diesem Druck standhalten? Bei Berlin wird hektisch ausgewechselt. Duisburg verstärkt weiter den Druck auf das Tor der Berliner. Jetzt kommt Léon von der Wechselbank und springt ins Wasser. Er versucht eine Abwehrlücke vor dem eigenen Korb zu stopfen. Stoiber von Duisburg schwimmt mit voller Wucht auf den Verteidiger zu. Er will Léon rammen. Oh, was war das? Léon hat den Duisburger wie beim Stierkampf zur Wand umgelenkt. Das hat wehgetan. Stoiber hält seinen Kopf. Schiedsrichter zeigt kein Foul an, es geht weiter. Léon schnappt sich den Ball. Sofort kommen die Duisburger, die nun Léon auseinandernehmen wollen, doch er weicht ihnen aus. Mit einer vorwärtsgerichteten Körperdrehung lässt er die Duisburger gekonnt aussteigen, aber Schuhmacher boxt ihm von hinten den Ball aus dem Arm. Jetzt greift Duisburg wieder an. Die Duisburger drücken, und jetzt kommt auch noch der Beste seiner Zunft. Sharki schnappt sich den Ball. Er wühlt sich von unten mit einer Drehbewegung durch die Berliner Abwehr. Er will das Tor selber machen. Keiner scheint ihn stoppen zu können. Im letzten Moment zieht Deckel die Notbremse und lässt Sharki auf sein hochgezogenes Knie auflaufen. Das Spiel wird abgepfiffen. Kein Strafwurf. Nur Freiwurf für Duisburg, Berlin hat Glück gehabt.“
Stinger nutzt die Spielunterbrechung und gibt mit starrem Blick das Zeichen für den Wechsel der besten sechs und zeigt jedem mit den drei Fingern die Poweroffensive an.

Sportkommentator: „Was passiert nun. Bei Berlin wird wild gewechselt. Dort sind nun Deckel, Knorki, Flosse, Krake, Stinger und Léon im Wasser. Was haben die vor? Wenn ich jetzt beide Seiten betrachte, befindet sich die komplette Nationalmannschaft im Wasser, wenn auch auf zwei Parteien verteilt. Wie Gladiatoren schauen sich die Spieler in die Gesichter. Und da der Anpfiff. Alle tauchen ab, Duisburg greift an. Sofort geht es zur Sache. Weber und Wiesbach bohren sich in die Berliner Verteidigerbank. Weber versucht den Ball am Korb in eine winzige Lücke zu pressen. Krake kann retten. Er verhindert für Berlin das Tor. Das wäre die Entscheidung gewesen. Duisburg lässt nicht locker. Sharki, Wittern und Morgenstern stürzen sich auf den ballführenden Krake. Man kann gar nicht hinsehen. Sie nehmen ihn ganz schön ran. Wow! Krake kann den Ball über die zwei Gegner hinweg schleudern. Genial, damit haben die Duisburger nicht gerechnet, sie dachten, der Ball wird wie üblich nach unten gespielt. Schauen sie sich das an. Nun sind sie sichtlich verwirrt und suchen den Ball.“
Kraftvoll hat sich Flosse von der Wand abgedrückt und legt seine ganze Power in den Flossenschub. Plötzlich schwenkt die Kamera und zeigt wie Flosse tief über dem Grund in Richtung Ball durchstartet und Stinger tritt mit ihm an und schwimmt einem startenden Verfolger in die Quere. Der Ball schwebt weit hinter den Duisburgern, im weiten Bogen nach unten, direkt in die Arme des Weltmeisters. Flosse schnappt den Ball und mit ihm powert Knorki auf das Duisburger Tor zu.
Sprecher: „Ein Konter. Der Duisburger Torwart muss sich jetzt beeilen, um noch rechtzeitig unten zu sein. Er will Flosse den Ball aus der Hand boxen.“
Stinger und Knorki sichern Flosse nach hinten ab. Blitzschnell packt Flosse den Ball in die Armbeuge und der Boxschlag geht in die Lehre. Flosse keilt sich zwischen dem Torwart und dem Korb. Er rollt sich ein Stück auf die Seite, und schiebt den Ball zu Knorki. Mit einer kraftvollen Bewegung haut dieser den Ball auf den Grund des Korbes.
Sprecher: „Tor. Tor… Unglaublich. Der Berliner Verteidiger Thomas Knorck erzielt den Ausgleich.“

Die Spieler am Beckenrand toben.

Sprecher: „Es sind nur noch vier Minuten zu spielen. Was wird jetzt passieren. Damit hat Duisburg offensichtlich nicht gerechnet!“
Während sich die Berliner freuen, protestieren die Duisburger beim Schiedsrichter.
Sprecher: „Der Protest scheint nichts zu bringen. Der Spielleiter zeigt an, dass gleich weitergespielt wird. Es ist wieder alles offen. Jetzt stürmt wieder Duisburg. Baumann spielt den Ball zu Morgenstern und der versucht wieder in die geballte Verteidigungslinie hineinzubrechen, aber die Verteidigerlinie der Berliner steht gut. Das Tor hat ihnen Selbstbewusstsein gegeben. Duisburg drückt, aber da ist kein Durchkommen. Bei Berlin wird mit Mann und Maus verteidigt. Das sieht schon hilflos bei den Duisburgern aus. Jetzt bekommt der Berliner Basti den Ball. Er schwimmt zur Außenlinie, aber schon sind die Duisburger da und holen sich den Ball. Verzweifelt rasen die Duisburger wieder in die Verteidigerbank der Berliner, aber kommen nicht durch. Stürmer, Mittelfeldspieler und Verteidiger der Berliner kleben jetzt vor dem eigenen Tor. Die Wand ist so dicht, dass Torwart und Tor nicht zu sehen sind. Da ist der Abpfiff! Der Spielstand ist nach der zweiten Halbzeit noch unentschieden. Das bedeutet sudden death. Es geht in die Verlängerung. Deutscher Meister wird der, der das nächste Tor macht. Was für eine Dramatik im Spiel! Berlin macht es wirklich spannend und wir werden gleich sehen, wie es weiter geht.“

- Pause -

Die Spieler steigen aus dem Wasser. Stinger lässt am Beckenrand den Mannschaftskreis bilden. Sie stecken die Köpfe tief zusammen, Schulter an Schulter, so dass jeder jedem in die Augen schauen kann. Dann stoppt Stinger seinen kreisenden Blick.
„Léon, du weißt, was ich jetzt sehen will. Du hast es uns oft vorgemacht. Wie im Training schraubst du dich von
oben in den Torwart rein, explodierst und zeigst ihm, dass dich niemand aufhalten kann“, sagt Stinger und schaut Léon Funken sprühend in die Augen.
Fünfzehn Augenpaare starren Léon an, er nickt, um Stinger zu signalisieren, dass er verstanden hat. Oft haben sie diesen Angriff im Training geübt und Léon weiß, dass Stinger oder Basti neben dem Korb auf seinen Pass lauern werden.
Dann erhebt Stinger die Stimme, um den Kampfgeist in ihnen zu wecken.
„Zweimal Dritter“, er macht eine Pause.
„Dreimal Zweiter“, wieder macht er eine Pause.
„Ein viertes Mal wird es das mit uns nicht geben! Holt euch den Sieg!“, brüllt Stinger in die Mitte des Kreises.
„Wir holen uns den Sieg!“, donnert der Mannschaftschor zurück, so laut, dass das Wasser in der Tiefe vibriert.

Sportkommentator:
„Die Spieler und der Spielleiter sind bereit. Und los geht’s. Was passiert jetzt. Löwe gewinnt das Anschwimmen und hat den Ball. Der spielt den Ball zu Krake, der gibt einen strammen Pass zu Léon, der nimmt Anlauf und taucht von oben auf das Duisburger Tor zu. Wittern kommt ihm entgegen. Aber was macht Léon, er täuscht an, zieht den Duisburger mit der Linken an sich vorbei und schraubt sich mit einer Körperdrehung in die Tiefe. Stinger schwimmt unter das Tor in Position. Klasse? Aber, was macht er jetzt? Er nutzt die Überraschung und greift den Torwart an. Er will das Tor von oben machen. Unbeirrt greift Léon den Torwart an, dieser fuchtelt wild mit den Händen rum und reißt Léon dabei die Maske vom Gesicht. Das dürfte Strafwurf geben.“
Da wird auch schon abgehupt.
„Ja, ein Tauchballelfmeter meine Damen und Herren. Es gibt Strafwurf für Berlin.
In der Pause schwimmt Stinger zu Léon. Er nimmt seine Maske ab.
„Du warst nahe dran“, sagt Stinger mit butterweicher Stimme und fragt gleich weiter: „Wie fühlst du dich?“
„Ich weiß noch nicht“, antwortet Léon noch völlig außer Atem.
„Du bekommst jetzt noch mal eine Gelegenheit“, redet Stinger auf ihn ein und hält seinen Kopf an seinen gedrückt.
„Nein Stinger!“ Wenn Sharki aufs’ Tor geht werde ich es nicht schaffen“, offenbart Léon hilflos.
„Weißt du noch, als du mir befohlen hast im Sturm die Leine rüberzubringen, da warst du der Skipper und ich musste das tun, was du wolltest. Jetzt bin ich der Skipper und ich will, dass du dieses Ding verwandelst. Jetzt hast du den Heldenjob!“

Sportkommentator:
… und gleich ist es soweit, meine lieben Damen und Herren. Ich bekomme gerade die Meldung rein, dass der Strafwurf für Berlin von Léon Preuß selbst ausgeführt wird und Sharki wird das Duisburger Tor verteidigen. Das wird spannend … meine Damen und Herren. Der Trainer der Berliner Mannschaft überträgt die Verantwortung über den wichtigsten Strafwurf in der Mannschaftsgeschichte einem jungen Balltechniker. Während Duisburg den stärksten Spieler Deutschlands in diesen alles entscheidenden Zweikampf schickt.“

Während der Kommentator die Zuschauer über den Ablauf des Strafwurfes informiert, macht sich Léon am Beckenrand fertig. Tief atmend sitzt er mit aufgestützten Armen am Beckenrand. Die Beine baumeln im Wasser, den Kopf in den Nacken gelegt, dabei hebt und senkt sich sein Brustkorb. Er beginnt zu hyperventilieren, um seine Lungen weit über das Normalmaß mit Sauerstoff zu sättigen. Dann bückt sich Flosse über Léon.
„Schlechte Neuigkeiten. Dein Kleiderspinnd wurde aufgebrochen. Komisch, Geldbörse und Papiere sind noch da. Es lag nur alles auf dem Boden herum.“
„Der Schlüsselanhänger“, Léon stockt mit apathischem Blick. „Verflucht!“, bricht es auch aus Léon heraus.
„Sobald das Forschungsteam die Arbeit aufnimmt, wissen sie, wo der Standpunkt 2 liegt und damit auch wo sich das Haus Wiek befindet“, begreift Flosse mit seinem detektivischen Scharfsinn.
„Dann werden unsere Verfolger das bekommen, wonach sie seit Jahren suchen und wofür sie gemordet haben“, folgert Léon glasklar.
„Das müssen wir verhindern.“
„Wie?“
„Indem wir vor ihnen dort sind!“, fordert Flosse.
„Das Forschungsteam wird mit der „Polarfuchs“ Hiddensee erst in den nächsten Tagen erreichen“, weiß Léon.
„Es ist also noch nicht zu spät“, folgert Flosse.
„Sag’ Flocke Bescheid! Um Zeit zu sparen soll er die Bird of Prey noch heute mit Freunden nach Rostock bringen!“
„OK. Und jetzt mach es kurz!“, feuert Flosse Léon an, der nickend ins Wasser hüpft.
Langsam schwimmt Léon mit dem Ball zur Mitte des Beckens, während sich Sharki mit einer Hand am Beckenrand festhält. Beide haben das Gesicht unter Wasser getaucht und warten auf das Startsignal. Als der Hupton ertönt, tauchen beide ab. Auch die Zuschauer halten den Atem an. Die Videoaufzeichnung enthüllt den Angriff des Berliner Stürmers Léon Preuß, wie er auf Sharki, den Duisburger Torwart zuspurtet. In fünf Metern Tiefe liegt Sharki mit dem Rücken auf dem Korb. Léon kracht in die muskelbepackten Beine. Mit flinken Körperdrehungen weicht Léon den aufeinander folgenden Fußtritten des Torwarts aus.
Eine Zuschauerin, die nur mit einem weißen Badeanzug bekleidet ist, hält sich angstvoll die Hände vor ihr Gesicht.
Unter Wasser kommt es zwischen Léon und Sharki zum unerbittlichen Zweikampf. Als Léon an den Beinen vorbei ist, packt Sharki blitzschnell zu. Er umklammert Léon so, dass er sich nicht mehr bewegen kann. Sharki presst ihm die Luft aus den Lungen und will Léon über die Zeit aushungern. Er hat die Zeit, Léon nicht. Nur noch 15 Sekunden, dann ist es vorbei. Das scheint es gewesen zu sein. Sharki dreht sich zur Seite und packt siegessicher noch fester zu. Seine Bizepse sind zum Bersten gespannt, Sehnen treten heraus und so verharren sie regungslos, ineinander verkeilt. Keiner will sich geschlagen geben. Keiner will auftauchen, und schon bald wird die Luftnot der stärkste Gegner. Um Kraft zu schöpfen, hängt Léon bewegungslos in den baumstarken Armen von Sharki. Er spürt den Druck in seinen Lungen, die atmen wollen. Er schließt für einen Augenblick die Augen und denkt an die harten Zweikämpfe mit Boris. Dann beginnt er unbemerkt seine linke Hand unter die Arme von Sharki zu schieben.
„Hat der Berliner aufgegeben?“, fragt der Sprecher in sein Mikro, „nur noch zehn Sekunden, dann ist es aus?“

Plötzlich spreizt Léon blind seine Ellbogen. Mit Keilwirkung presst er die Arme von Sharki ein Stück auseinander. Bringt den Ball vor seine Brust. Verdreht seinen Körper nach links, bringt seinen Kopf nach hinten und macht ein Hohlkreuz, um Spannung in seine Muskeln zu bringen. Jede Faser seines Körpers ist jetzt wie ein Bogen gespannt, urplötzlich federt er seinen Körper blitzschnell nach rechts. Mit der Drehung pumpt er die Umklammerung von Sharki mit einem Ruck auseinander und bevor Sharki reagiert, schlüpft er unter seinen Armen durch. Die Maske bleibt hängen, aber sein Körper windet sich an Sharki vorbei und mit einer runden Bewegung stopft er den Ball in den Korb.

Sprecher:
„Tor, Tor, Tor. Nicht zu fassen, Léon Preuß hat es geschafft! Berlin ist der neue Deutsche Meister im Tauchball! Das Unglaubliche ist eingetreten, meine Damen und Herren. Berlin wird zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte Deutscher Meister. Sehen sie sich die Freude bei den Berlinern an. Damit hat wohl niemand mehr gerechnet. Das Wunder von München ist geschehen. Hiermit gebe ich die Moderation ab und bedanke mich bei ihnen zu Hause fürs Zuschauen.“
„Wir haben es geschafft!“, ruft Stinger und reißt sich vor Freude die Maske vom Gesicht.
Nur langsam kommt die Mannschaft aus dem Wasser. Da wird Léon auch schon sein Handy gereicht.
„Herzlichen Glückwunsch!“, schrillt Mira mit freudig süsser Stimme.
Er versucht gerade ein Handtuch zu greifen, um das Handy nicht nass werden zu lassen.
„Wie hast du es erfahren?“, erkundigt er sich verwirrt.
„Internet. Ich habe gesehen, wie du es meinem Bruder gezeigt hast“, plaudert Mira stolz.
„Du hast alles live mit angesehen?“, fragt Léon überrascht, da er es nicht glauben kann, dass sie das Spiel in Miami gesehen hat.
„Das war super spannend und ich freue mich über euren Sieg. Dann macht sie eine Pause und weiß nicht was sie sagen soll.
„Wie geht es Diego?“
„Gut, er hat mich fit gemacht.“
Ständig klopfen ihm Leute auf die Schulter.
„Gibt es sonst noch etwas Neues?“, fragt Mira.
„Ja, vermutlich haben die Mörder, damals beim Überfall, eine Kopie der Rekonstruktionszeichnung gestohlen, jetzt sind sie auch noch im Besitz der Koppelkurse und bald werden sie durch die Ankunft der Kieler Forschergruppe mitbekommen, wo Vineta einst zu finden war.“
„Dann war alles umsonst?“
„Das wollen wir verhindern.“
„Wie das?“
„Wir versuchen vor ihnen dort zu sein. Wir brechen morgen auf. Wenn du dich gleich in den Flieger setzt, nehmen wir dich in Rostock an Bord“, schlägt Léon vor.
„Nein, das geht nicht“, erwidert Mira bedrückt.
„Warum nicht?“, horcht Léon in den Hörer, dabei pocht sein Herz, weil er die Antwort fürchtet.
„Weil ich hier bleiben werde. Ich mache ein Projekt über den Golfstrom. Ich habe einen Job als Forschungstaucherin bekommen“, erklärt Mira mit trauriger Stimme. Sie ist den Tränen nahe, was Léon nicht sehen kann, aber er spürt, dass es ihr nicht leicht fällt, ihm das zu sagen.
Ihr scheint es ernst zu sein, denkt Léon.
„Was passiert mit Diego?“
Er kann es nicht glauben, dass sie ihn und Diego alleine lassen will.
„Es wäre lieb von dir, wenn du dich um ihn kümmern könntest, bis ich einen Weg gefunden habe, ihn hierher zu bekommen“, weint sie in das Telefon. „Mir wurde hier eine einmalige Chance geboten, die ich einfach nicht ablehnen kann“, bringt Mira mit letzter Kraft hervor.
Ein Job ist wichtiger als die Liebe. So ist das heute, denkt sie im Stillen, um sich selbst zu trösten.
Fassungslos schaltet Léon das Handy aus, geht zur Umkleidekabine, zieht sich an und ohne sich groß zu verabschieden macht er sich mit Stinger und Flosse fertig für die Reise.

Kapitel 18: Das Haus Wiek